Reform der Lehrerausbildung lässt auf sich warten

29. Janvier 2005

Unterrichtsministerium hat Lehrerprofil vorgelegt

Alex Fohl

Die Reform der Grundschullehrerausbildung ist überfällig. zwar hat das Unterrichtsministerium inzwischen ein Lehrerprofil erstellt und an die Université de Luxembourg weitergereicht, doch die Entscheidung, ob die Lehrerausbildung nun ausgeweitet wird oder nicht lässt nach wie vor auf sich warten.

Mit dem vom Unterrichtsministerium vorgelegten Lehrerprofil könne er gut leben, so der frühere Iserp- Direktor und heutige Dekan der Fakultät für Sprachwissenschaften und Literatur, Geisteswissenschaften, Kunst und Erziehungswissenschaften, Lucien Kerger. Es sei breit gehalten und nicht, spezifisch auf Luxemburg zugeschnitten. Darüber hinaus sei es zum
Teil deckungsgleich mit dem von der Fakultät ausgearbeiteten Orientierungspapier; die theoretischen Grundlagen seien dieselben. Konsens scheint es derzeit darüber zu geben, dass eine Reform der Grundschullehrerausbildung notwendig ist. Lucien Kerger erklärt den Reformbedarf so: „Die Ausbildung ist zu sehr. an den Programmen orientiert. Davon müssen wir wegkommen. Wir brauchen einen Perspektivwechsel hin zu den Akteuren. Auch der Kontext ist sehr wichtig." Die Zerstückelung der Ausbildung müsse aufgehoben werden, so Kerger. Das einfache Zusammenfügen von Ausbildungselementen ergebe längst noch kein Profil und keine Hochschulausbildung. Vielmehr gehe es darum, Menschen zu befähigen, sich selber einen Überblick zu verschaffen und eigenständige Lösungen zu suchen. Das sei das eigentliche Ziel einer Hochschulausbildung. Eine gewisse Experimentierfreudigkeit in der Ausbildung gebe es derzeit schon, so Kerger dem Tageblatt gegenüber. Im zweiten Ausbildungsjahr arbeiten Studenten an einem eigenen Projekt, dem eine Dialektik zwischen Theorie und Praxis zugrunde liege. Dabei gehen Studenten Kerger zufolge viel selbstständiger und praxisbezogener ans Werk.'

Das zweite Jahr funktioniere gut, es werde einer elektronischen Plattform unterstützt, die einen regen Austausch zwischen Studenten und Dozenten ermöglicht. Probleme dagegen bereitet nach wie vor das .erste Jahr, das noch immer in der alten Struktur verharrt. Auch im dritten Ausbildungsjahr wurde die Umstellung noch nicht ganz vollzogen.

Knackpunkt



Der Knackpunkt bei der Reform der Lehrerausbildung scheint die Dauer zu sein. Derzeit erstreckt sich. der Lehrgang auf drei Jahre. Das entspricht 180 Kreditpunkten in der Bologna Wertung{ECTS). Was die Ausbildungsdauer angeht, liegt Luxemburg derzeit mit Belgien und Osterreich europaweit im Schlussfeld. Finnland als PISA-Spitzenreiter legt die Latte mit 330 Credits für angehende Lehrer sehr hoch. Auch die Zulassung zur Lehrerausbildung ist dort streng geregelt. Hier werden persönliche Einstellung und Problemlösungskompetenzen bei den Bewerbern in den Vordergrund gerückt.

In Luxemburg gilt dagegen weiterhin mein überaltertes Ausleseverfahren, das einerseits notwendige Sprachkompetenzen voraussetzt (Sprachentest) und den Notendurchschnitt des Abiturs berücksichtigt. Einen Eignungstest wie bspw. in Finnland gebe es in Luxemburg nicht, so Luden Kerger. Jedes Jahr würden ca. 150 neue Studenten zur Lehrerausbildung zugelassen, zwischen 105 und 115 würden den dreijährigen Lehrgang auch absolvieren. Die Aussteigerquote liegt damit bei 25 bis 30%.

Was die notwendige Dauer der Ausbildung angeht, ist Uni-Dekan Luden Kerger formell: "Mit 180 Credits ist das angestrebte Lehrerprofil nicht zu erreichen." Die Ausbildung müsse von der Früherziehung bis zum "enseignement préparatoire" inklusive. „éducation differencée" und Spezialklassen alles abdecken. In drei Jahren sei dies nicht zu schaffen, es sei denn alle Studenten wären Genies.

Nach wie vor hat die Politik, was den Umfang der Lehrerausbildung angeht, keine klare Position bezogen. Soll der "Conseil de gouvernance" der Universität die Entscheidung etwa im Alleingang fällen?

Derzeit sind in der Fakultät 111 1.162 Studenten eingeschrieben. Allein 427 (36,75%) werden dort als Vor- und Grundschullehrer ausgebildet.

Wird sie alle Untergradstudiengänge (Bachelor) der Transparenz und Einfachheit halber auf 180 Credits anlegen und auf diese Weise etwas bewilligen, was von vornherein unzureichend ist. Hochschulminister Fran90is Biltgen wäre mit dem Verweis auf die Uni-Autonomie zwar aus dem Schneider, der Schule wäre damit langfristig aber nicht gedient.

Wie würde sich Unterrichtsministerin Mady Delvaux-Stehres darob verhalten? Würde bzw. könnte sie auf eine maximale Lehrerausbildung (240 oder mehr Credits) pochen oder würde sie sich als nicht zuständig erklären und den Ball ins Hochschulministerium zurückspielen.

Und welche Rolle würde Claude Wiseler - ehemaliger CSV-Schulexperte und heutiger Minister des Öffentlichen Dienstes und damit für die Gehälter der künftigen Lehrer zuständig spielen? Würde Wiseler einer Begrenzung der Staatsausgaben gegenüber einer angemessenen Lehrerausbildung den Vorrang geben? Den Segen von Budgetminister Luc Frieden dürfte er haben.

Zündstoff



Viele Fragen, die einer Antwort harren und eine Menge politischen Zündstoff beinhalten. Auch hier spricht Luden Kerger Klartext: "Wenn der 'Conseil de gouvernance' sich für 180 Kredite entscheidet, haben wir ein dickes Problem."

"Hier stehe auch die Glaubwürdigkeit der Universität auf dem Spiel, die den Anspruch erhebe, in fünf bis zehn Jahren zu den besten in Europa zu gehören. Gerade das aber bereite Schwierigkeiten, wenn man sich bei der Erziehung auf ein Minimum beschränke, so Kerger; der erneut das Beispiel Finnland bemühte. Die Finnen setzten voll auf Intelligenz und Wissen und brächten es fertig, 70% der Schüler zur Hochschulreife zu verhelfen. Sie hätten die Jahrgangsklassen aufgelöst, das Durchfallen abgeschafft und zu einem organischen Lernen gefunden, wo es nicht darum gehe, für Punkte zu lernen. In Luxemburg hätten dagegen nur ein Drittel der Schüler Zugang zu Hochschulstudien, der Rest würde in unserem Schulsystem wegselektiert.

Bevor nun Ende Februar der "Conseil de gourvernance" über die Lehrerausbildung befinde, sollte die Politik Farbe bekennen, rät Luden Kerger.