PISA 2003: Parlament pocht auf grundlegende Schulreformen

03. Mars 2005

Zum Erfolg verammt

Alex Fohl

Gestern befasste sich das. Luxemburger Parlament mit der OECD-StudiePISA 2003. Beim zweiten internationalen Schülervergleichstest hatte Luxemburg trotz verbesserter Testbedingungen nicht einmal Mittelmaf3 erreicht. Die Reformbereitschaft unter den Parlamentariern scheint dementsprechend groß

Es sei ein Glück, dass es PISA gebe, sonst würden wir in Luxemburg noch immer denken, wir seien gut, so Jacques-Yves Henckes. Trotz höchster Bildungsausgaben sei das Resultat mies. Wer das Basiswissen nicht habe, sei ein Leben lang handicapiert, so der ADR-Vertreter, der nach der verpassten Bildungsoffensive Marke DP nun eine Qualitätsoffensive einklagt.

Dass grundlegende Schulreformen notwendig sind, wird - PISA sei dank - kaum mehr in Frage gestellt. Hierzu der bildungspolitische Sprecher der CSV François Maroldt: "Wir brauchen keine Flickarbeit, keinen Zickzackkurs, sondern grundlegende Reformen." Das Schulsystem müsse als Ganzes gesehen ,werden. PISA sei das Ergebnis des gesamten Bildungswegs. "Wir müssen weg von der konservativen Didaktik und neue Wege in der Methodik gehen, so Maroldt, der den Reformhebel früh nicht erst im Sekundarunterricht - ansetzen will. Wir sollten ermutigen, statt zu bestrafen. Die Motivation, es besser machen zu wollen, sollte sich durchsetzen.

Dazu gehört für Maroldt auch mehr Autonomie für Schulen und' eine Anpassung des Lehrerprofils.

Die ehemalige Unterrichtsministerin Anne Brasseur übte sich dagegen erst einmal in Vergangenheits- und Frustbewältigung.

Dem Parlament warf sie u.a. eine mangelhafte Vorbereitung der PISA-Debatte vor Gleichzeitig warnte sie davor, aus derartigen Studien falsche Schlussfolgerun gen.Neben den Infrastrukturproblemen ist der Handlungsbedarf auch bei den Lerninhalten und -methoden Sorgen bereiten Brasseur die geplanten ,Reformen. Unter dem Deckmantel der Ganztagsschule würden neue pädagogische Wege angebahnt, die auf Schulbücher verzichteten und Zirkus und Gartenarbeit in den Schulunterricht einführten. Das Schulprojekt "Neie Lycee" bezeichnete Brasseur als Utopie, deren Leidtragende Kinder seien. Die Schule sei kein "Club Med", wo Kinder um 7.00 Uhr abgegeben würden, um sie dann am Abend im Pyjama, gekämmt und gewaschen wieder in Empfang nehmen zu können.

Brasseur setzt ihrerseits resolut auf Leistung. "Wir müssen besser sein als unsere Nachbarn, mehr leisten und uns mehr anstrengen, auch wenn das nicht immer Spaß macht. "

Der Präsident der parlamentarischen Unterrichtskommission Jos Scheuer (LSAP) wertete das Projekt Ganztagsschule als die vielleicht radikalste Antwort, auf die er mit Spannung auch im Hinblick auf deren Evaluation warte. Die Schule müsse sich aus dem Netz befreien, in das sie sich' selbst hineingesponnen habe. Sie müsse den Mut haben, die Relevanz ihrer Inhalte zu prüfen, zu .durchforsten und zu erneuern, so Scheuer, der sich u.a. darüber alarmiert zeigte, dass sich 49% der Schüler nicht auf das Leben vorbereitet fühlten.

Claude Adam wies seinerseits auf die Einzigartigkeit des Luxemburger Schulsystems hin. Ne- Neben drei offiziellen Sprachen liege die Quote der ausländischen I Schüler bei 40%. Daraus leitete Adam eine stärkere Verpflichtung gegenüber. allen Schülern ab.

Eine große Herausforderung liege bei den Lehrern; sie müssten sich. vom Einzelkämpfer zum Gruppenarbeiter entwickeln.

Kein Verständnis zeigte Adam für die zaghafte Reform der Lehrerausbildung. Für "Dei Greng" bleibt ein Master-Lehrgang eine Notwendigkeit.

Resolut nach vorne blickt John Castegnaro (LSAP): "Das beste Schulsystem ist der Schlüssel zum Erfolg und die Ausgangsbasis für das Bestehen in einer globalisierten Welt." Gleichzeitig sei eine erfolgreiche Schulpolitik die beste Voraussetzung für Chancengleichheit, soziale Kohäsion, hohe soziale Standards und konkurrenzfähige Arbeitsplätze.

Angesichts des Wettkampfs mit anderen Ländern seien wir mehr denn je zum Erfolg verdammt. .Zukunftsängsten erteilte Castegnaro dagegen eine Absage. Durch das beste Schulsystem müsste Luxemburg als Wirtschaftstandort attraktiv bleiben. Es gelte die Potenziale zu nutzen und im Konsens - nicht in der Rechthaberei - Lösungen zu finden. Ansatzpunkte sieht der LSAP- Vertreter in der Förderung des lebenslangen Lernens ebenso wie in der bestmöglichen Ausbildung der Lehrer.

Luxemburg sollte großzügiger mit seinem Bildungssystem umgehen, so die unverblümte Aufforderung, die Schule nicht als Experimentierfeld zu sehen und die notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen. Bildung verursache zwar Kosten, habe aber keinen Preis. Die Investition in Menschen mache sich bezahlt, so Castegnaros Fazit.