Die Klassenschule in Luxemburg ist nicht besser als ihr Ruf (Zeitung vum Letzebuerger Vollek)
19. Décembre 2004Luxemburg hat sich bei der Pisa-Länderstudie 2003, bei der die Kompetenzen der 15-jährigen in 29 Ländern in Lesekompetenz, mathematischer Grundausbildung, naturwissenschaftlicher Grundausbildung und Problemlösung getestet wurden, um einige Plätze verbessert, bleibt aber in allen vier Testgebieten unter dem Durchschnitt. Daraus sollte man aber nicht schlussfolgern, das Luxemburger Schulsystem befinde sich auf dem Weg der Besserung, und die Schule in Luxemburg sei besser als ihr Ruf. Ein offenes Geheimnis ist es, dass Chancengleichheit im Schulwesen in Luxemburg seit jeher nur in Spurenelementen vorkommt. Das hat sich bis heute kaum geändert, und die Schule und ihre Strukturen bleiben weitgehend ein Spiegelbild der bestehenden Klassengesellschaft.
Das ist nicht die Folge einer Naturkatastrophe, sondern von Entscheidungen der Herrschenden in Wirtschaft und Politik, die ganz gezielt bewirken sollen, dass die bestehenden ungerechten Verhältnisse in der Gesellschaft und im Schulwesen sich immer wieder reproduzieren.
Dass der Anteil der Kinder aus Luxemburger Arbeiterfamilien, die Abitur oder Uni machen, weitaus geringer ist, als der Anteil der Kinder aus dem Bürgertum und aus intellektuellen Kreisen, ist nicht neu. Typisch für die Klassengesellschaft in Luxemburg ist aber, dass dieses Verhältnis sich innerhalb der vergangenen 30 Jahren nicht grundlegend änderte.
Das gilt auch für die Kinder aus Emigrantenfamilien aus Italien, Portugal und den Kapverden. Sie bleiben - unabhängig vom vorherrschenden Multikulti-Geschwafel - oft doppelt diskriminiert, weil sie aus Arbeiterfamilien kommen und Ausländer sind.
Weil das so ist und auch für die Zukunft festgeschrieben bleiben soll, ist die Wahrscheinlichkeit klein, dass es zu grundlegenden fortschrittlichen Reformen im Luxemburger Schulwesen kommen wird - es sei denn, ihnen gehen große gesellschaftliche Umwälzungen voran.
Bis auf weiteres aber wird es der vorherrschende konservative Mief und Standesdünkel der Privilegierten immer wieder zu verhindern wissen, dass es Chancengleichheit oder eine Gesamtschule für alle Schülerinnen und Schüler in Luxemburg geben wird.
Wer sich dagegen auflehnt und diese Klassenschule grundsätzlich und konkret in Frage stellt, wird deshalb gerne als Nestbeschmutzer und Querulant beschimpft.
Aber die Tatsachen sind hartnäckig, und die Realität in der Klassenschule ist brutal. So brutal wie diese Gesellschaft, in der ein Gespräch über Chancengleichheit für Arbeiterkinder schon fast ein Verbrechen ist.