Keine Entwarnung (tageblatt)
07. Décembre 2004Leitartikel des tageblatt
Alex Fohl
Nun ist die Katze aus dem Sack. Die Ergebnisse des zweiten OECD--Schülervergleichstests PISA 2003 liegen vor. Luxemburg hat insgesamt zwar zugelegt ein Plus von 125 Kompetenzpunkten im Vergleich zu 2000 -, dennoch besteht kein Grund zum Aufatmen. Während die 15-jährigen Luxemburger Schüler beim ersten Vergleichstest vor vier Jahren abgeschlagen den drittletzten Rang belegten und Schlusslicht in der EU wurden, präsentiert sich die PISA-Ausgabe 2003 aus Luxemburger Sicht in einem etwas helleren Licht.
In der Europäischen Union hat Luxemburg diesmal Spanien, Italien, Portugal sowie Griechenland überholt und sich im hinteren EU-Mittelfeld platziert. Das Rennen machte Finnland, das sich insgesamt auf den ersten Rang verbesserte, vor Korea und Hongkong. Erstaunlicher Vierter wurde das Fürstentum Liechtenstein, das in allen drei Bereichen - Mathematik, Lesekompetenzen und Naturwissenschaften - beachtlich hinzugewinnen konnte (+113 Punkte), während Japan (Fünfter) 49 Kompetenzpunkte einbüßte. Nur Mittelmaß bleiben weiterhin die Vereinigten Staaten, die sich von der asiatischen und europäischen Konkurrenz klar den Schneid abkaufen ließen. Sogar das kleine Luxemburg trotzt dem großen US-Bruder im Bereich Mathematik einen Achtungserfolg ab. Luxembourg beats the USA by 493 to 483 points!
Große Lücke
Zwischen Luxemburg und seinen unmittelbaren Nachbarn Deutschland, Frankreich und Belgien klafft dagegen nach wie vor eine Riesenlücke von 41, 63 bzw. 90 Punkten (siehe Grafiken Seite 22). So gesehen sind die PISA-2003-Ergebnisse zwar besser, für Luxemburg aber längst noch nicht gut. Zum Klassenbesten Finnland fehlen nach wie vor 180 Kompetenzpunkte - Welten. Bekanntlich hat Finnland zum richtigen Zeitpunkt sein Bildungssystem auf die Gesamtschule umgestellt, mit überwältigendem Erfolg. Luxemburg wollte in der zweiten Hälfte der 70er Jahre unter LSAP-DP-Führung ähnliche Wege gehen. Leider kam es in der darauf folgenden Legislaturperiode 1979-1984 unter christlich-liberaler Regie zu einer folgenschweren Kurskorrektur, der das Luxemburger Gesamtschulprojekt zum Opfer fiel. Die Folgen sind bekannt und die Resultate liegen auf dem Tisch. Im Mathe-Test verbucht Luxemburg mit Rang 23 sein bestes PISA-2003-Ergebnis. Bei den Lesekompetenzen belegt Luxemburg hinter Spanien und vor Portugal Rang 27, während der Nachholbedarf in den Naturwissenschaften am höchsten zu sein scheint (Rang 29). Für die PISA-Vergleichsstudie 2006 - in zwei Jahren werden die Naturwissenschaften im Mittelpunkt des OECDTestverfahrens sehen - lässt dies angesichts der Reformträgheit des Luxemburger Schulsystems nicht viel Gutes erahnen.
Dennoch klopft sich die Opposition bereits heute auf die Schulter, als sei ihr der dürftige Bildungserfolg 2003 zu verdanken. Gleichzeitig warnt Brasseurs DP die LSAP-Unterrichtsministerin Mady Delvaux-Stehres vor falschen Signalen im Hinblick auf die angekündigte Abschaffung der Hausaufgaben und Nachexamen. In ihrer Schlussfolgerung geht die Ex-Regierungspartei sogar noch einen Schritt weiter und rät, von diesen Reformvorhaben abzusehen. Der einst gepriesene Offensivgeist der DP scheint wie eine Seifenblase zu zerplatzen. Ihr konservativer Rückgriff auf Bestehendes verkennt einmal mehr die Tatsache, dass Luxemburg im OECD-Vergleich weit hinterherhinkt.
Entwarnung ob des Aufwärtstrends wäre fehl am Platz. Grundlegende Reformen tun weiterhin Not.