Hausaufgaben: Kernfrage oder Nebenkriegsschauplatz (Tageblatt)
07. Mai 2005Schulpolitische Vorgaben per Rundschreiben
Alex Fohl
Per Frühjahrsrundschreiben übermitteln Unterrichtsminister traditionsgemäß ihre bildungspolitischen Vorgaben für das kommendeSchuljahr. Den Hausaufgaben kommt darin oftmals eine Schlüsselrolle zu. Auch in diesem Jahr ist das nicht anders. Mit ihrer ersten "Circulaire de printemps" zur Hausaufgabenfrage hat Mady Delvaux-Stehres die Schuldebatte wieder belebt.
In der Hausaufgabenfrage gehen die sozialistische Unterrichtsministerin Mady Delvaux-Stehres und ihre liberale Vorgängerin bekanntlich andere Wege. Während sich Brasseur in der vorherigen Legislaturperiode an die Hausaufgabenpflicht klammerte, versucht es Delvaux nun mit einer Lockerung.
Insbesondere im Untergrad des Primärschulunterrichts soll es künftig keine schriftlichen Hausaufgaben mehr geben. Darüber hinaus werden Ausmaß und Bedingungen für das Aufgeben von Hausaufgaben in der diesjährigen "Circulaire de printemps" neu geregelt. Ein Rückblick drängt sich auf.
In ihrem ersten Frühjahrsrundschreiben) (2000/2001'),hatte Anne Brasseur. u.a.. festgehalten,dass nicht alle Eltern bei den Hausaufgaben Hilfestellung leisten könnten, und gleichzeitig vorgeschlagen, Initiativen zur Hausaufgabenhilfe zu fördern. Daneben hatte die liberale Ministerin eine Neuordnung und Optimierung der Stützkurse angemahnt. .
Chancengleichheit schien zu diesem Zeitpunkt ebenso wenig gegeben wie fünf Jahre später.
Auch in den darauf folgenden Jahren, machte sich liberale Bildungspolitik zum Teil an Hausaufgaben fest: 2001/2002 sollte dem Erlernen der Luxemburger Sprache mehr Gewicht zukommen. Weitere Kernthemen bezogen sich auf den Grundlagenunterricht. Hausaufgaben seien notwendig, um Erlerntes zu wiederholen, so die ministerielle Vorgabe. Schüler sollten fähig sein, Hausaufgaben autonom sprich ohne Hilfe der, Eltern durchzuführen. Deren Ausmaß sollte den Kindern angepasst sein, so" die "Circulaire de printemps 2001/ 2002.
Ein Jahr später bekamen die Hausaufgaben für Brasseur eine kapitale Bedeutung. Regelmäßige Hausaufgaben seien integraler Bestandteil des Unterrichts. Einschränkend hielt die liberale Ministerin fest, dass sie den Unterricht weder ersetzen noch vervollständigen sollten, falls dieser Lücken aufweise. Die Rolle der Eltern bestehe nicht darin, die Inhalte zu überwachen, sondern deren Durchführung, so Brasseur anno 2002/2003
Am Gängelband
2004 forderte die Ministerin eine Verstärkung der Stützkurse für Kinder mit Lernschwierigkeiten.- Hinzu kamen Benimmregeln und die Erziehung zur Verantwortung der Schüler. Auch die Hausaufgaben durften nicht fehlen. Lehrern wurde aufgezwungen, regelmäßig Hausaufgaben in vernünftigem Maße aufzugeben und diese zu kontrollieren. Die liberale Brasseur führte die Lehrerschaft am Gängelband.
Die sozialistische Unterrichtsministerin leitete mit ihrem Frühjahrsrundschreiben 2005 an die Kommunen und Lehrer eine Kehrtwende ein. Die Hausaufgabenpflicht wird zu den Akten gelegt. Übrig bleibt eine Regelung, die schriftliche Hausaufgaben - abgesehen vom Untergrad des Primärschulunterricht - zwar ermöglicht, in der Dauer aber einschränkt. Deren wöchentliches Pensum soll vier Stunden nicht überschreiten. Darüber hinaus soll der Lehrer abwägen, wie viel Aufgaben er dem einzelnen Schüler zumuten kann.
Im Mittelpunkt steht die Fähigkeit der Schüler, autonom zu arbeiten. An die Schulen und Kommunen ergeht der Auftrag, dafür zu sorgen, dass die Hilfestellung der Eltern nicht mehr notwendig ist. Weder die Verfügbarkeit der Eltern noch ihr Bildungsstand oder ihre finanziellen Ressourcen sollten für den schulischen Erfolg eines Kindes entscheidend sein, so Delvaux' Begründung. Unterricht, Konsolidierung der Kompetenzen und Einführung ins selbstständige Arbeiten sollten in der Schule erfolgen, so die Vorgabe aus dem Unterrichtsministerium. Es sei durchaus vorstellbar, dass Lehrer auf Hausaufgaben verzichteten. Aus der Pflicht wird so eine Wahlmöglichkeit, die es Lehrern erlaubt, den Unterricht nach den Bedürfnissen der Klasse auszurichten.